Jan Dressler, Geschäftsführer der Dressler Group, im Interview.
Die Bedeutung von Rezyklaten für AM wird steigen
Nachhaltigkeit ist für die Dressler Group (DG) kein Trend, sondern schon immer Teil der DNA. Schließlich steht bei uns die optimale Nutzung von Ressourcen und Rohmaterial bei jeder Entwicklung im Focus – egal ob bei individuellen Pulverlösungen für Kunden oder bei der (Eigen)Entwicklung von Produktionsanlagen und Prozessen. Wie wir auch für unsere Kunden Effizienz und Qualität steigern oder ihr persönlicher Innovationsmotor sein können, darüber informieren wir auf der Formnext in Frankfurt am Main, vom 15.-18. November 2022.
Welches Material macht Ihrer Meinung nach zukünftig das Rennen – eher Metall oder Kunststoff?
Wir sind als Pulverdesigner Dienstleister unserer Kunden und selbst kein Rohstoffhersteller. Und für unsere Kunden aus allen Schlüsselbranchen spielen in der additiven Fertigung Kunststoffe eine enorme Rolle. Auch sind die meisten der installierten Systeme dafür vorgesehen. Nach wie vor wird mengenmäßig mehr Kunststoff als Metall verarbeitet. Metall ist zweifellos bei bestimmten Anwendungen gesetzt, zumindest bis auf weiteres, etwa in der Luft- und Raumfahrt. Dort wirkt 3D-Druck medial auch wesentlich spektakulärer als etwa bei Kunststoffanwendungen im Lifestyle-Bereich, z.B. bei der Schuhherstellung. Um Gewicht zu sparen, wird aber beispielsweise auch in der Luft- und Raumfahrt, im Autobau und der Robotik versucht, Metall durch Kunststoff zu substituieren. Hochleistungsmaterialien wie PEEK und PEKK können in vielen Fällen Aluminium ersetzen. Wir beobachten die Entwicklung gemeinsam mit unseren Kunden genau. Schließlich versprechen wir ihnen, dass sie bei uns immer genau das Pulver bekommen, das ihren ganz persönlichen Bedarf perfekt deckt.
Was sind nach Ihrer Erfahrung die favorisierten 3D-Kunststoffe?
Bei unseren Kunden sind Polyamid (PA) und Thermoplastisches Urethan (TPU) die meistverwendeten Kunststoffe für Pulverbett-Verfahren. Ein Grund ist die gute bis sehr gute Verarbeitbarkeit. TPU konnten wir übrigens als erstes Unternehmen in einer AMtauglichen Qualität vermahlen, ebenso Polypropylen (PP), einen der meistgenutzten Kunststoffe überhaupt. PP wird für additive Pulverbettverfahren immer wichtiger.
Welches Material macht Ihrer Meinung nach zukünftig das Rennen – eher Metall oder Kunststoff?
Technische Kunststoffe sind aus unserer Sicht schon sehr umfassend reif für AM-Pulverbettprozesse. Dagegen gibt es bei Basis- und Hochleistungskunststoffen noch sehr viel Luft nach oben. Dabei wäre aber gerade die Nutzung von günstigeren Basis-Kunststoffen wichtig, um die Bauteilkosten auf ein konkurrenzfähiges Niveau der klassischen Fertigungsverfahren zu senken. Zudem sind Kriterien wie Nachhaltigkeit, Recyclingfähigkeit, Biokunststoffe etc. mittlerweile absolut entscheidungsrelevant.
Wie passen Ihrer Meinung nach Nachhaltigkeit und Recycling einerseits und 3D-Druck in Großserie zusammen?
Wir halten Rezyklate grundsätzlich auch für anspruchsvolle Anwendungen im industriellen Maßstab für geeignet. Aktuell bieten sie aber noch nicht zu 100 Prozent die Performance eines „fabrikneuen“ Rohstoffs. Ein Beispiel: Es ist bekannt, dass Polyamid 12 im Lasersinter-Prozess stark altert. Die Vorgänge im Material und Pulver sind dabei hochkomplex und wären Stoff für ein eigenes Interview. Jedoch kann man sagen, dass in einem typischen Bauprozess etwa zehn bis 20 Prozent des eingesetzten Materials in Bauteile umgesetzt werden. Weitere 25 bis 40 Prozent des Pulvers werden weniger stark thermisch belastet und können dadurch in der Regel problemlos wiederverwendet werden. Der Rest des Materials wird aber so stark beansprucht, dass es vor der Wiederverwertung mit etwa derselben Menge neuen Pulvers aufgefrischt werden muss. Einige andere Materialien, wie z.B. PP, sind von Haus aus weniger alterungsempfindlich, dagegen sind gefüllte Polyamide (mit Verstärkungsstoffen versehene Materialien) sogar noch empfindlicher als das unverstärkte Polyamid. Hier tut sich aber derzeit viel. Ein neuartiger Ansatz in der Prozesstechnik etwa soll künftig ermöglichen, dass idealerweise auch 80 Prozent gebrauchtes Material plus 20 Prozent neues Material wiederverwendet werden kann – bei tolerablen Qualitätseinbußen. Die Bedeutung von Rezyklat wird künftig aber allein schon durch immer strengere Umweltauflagen und den Kostendruck steigen, auch bei High Tech-Anwendungen.
Was sind die Erfolgsfaktoren für AM im großen Stil?
Für eine Fertigung im industriellen Maßstab ist eine hohe Batchto-Batch-Konsistenz essenziell. Hier setzen wir selbst Maßstäbe, denn unsere umfassende Dokumentation ermöglicht eine jederzeitige Reproduzierbarkeit. Zudem beherrschen wir eine energieeffiziente Mahlung, die auch Faktoren wie möglichst wenig Feinanteil, wenig Nachbearbeitung usw. berücksichtigt. Robust zu verarbeitende Materialien sind für uns als Pulverhersteller genauso wichtig wie für den Endanwender, um Ausschuss in der Produktion zu vermeiden. Eine große Herausforderung wird künftig die Ressourcenschonung sein, sei es durch weniger Energieeinsatz, Abfallvermeidung oder die Wiederaufbereitung und intensivere Nutzung von Werkund Hilfsstoffen.
Welche Ziele haben Sie sich selbst für die Zukunft gesetzt?
Als Pulverdesigner und langfristiger, von Anfang eingebundener Systempartner mit einem kompletten Ökosystem für unsere Kunden haben wir uns den Ruf „The Grinding Authority“ erarbeitet. Das wollen wir auch bei Megatrends wie der Perfektionierung der Kreislaufwirtschaft erreichen. Unserer Meinung nach bietet die ökologische Nachhaltigkeit auch und gerade enormes wirtschaftliches Potential in puncto Pulver- und Prozessqualität, etwa durch die Entwicklung neuer Materialien und Bauverfahren. Unsere Pulver sollen nicht nur unseren Kunden, sondern idealerweise sogar deren Kunden echten Mehrwert bieten.
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- Kunststoff Magazin April 22
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